Vor 50 Jahren starb Professor G. Willkomm

Quelle: Karl Fritzsching in "KULTUR UND HEIMAT" - MONATSBLÄTTER DES DEUTSCHEN KULTURBUNDES -
KREIS KARL-MARX-STADT / LAND, Ausgabe 1960 Mai


"In ihm verlieren die Wissenschaft und die Industrie einen ihrer bewährtesten Führer und Berater".So hieß es kurz nach dem Tode Professor Gustav Adolf Willkomms (27.3.1910) in einem "Programm der Wirkschule in Limbach in Sachsen", und es war und ist mit diesen wenigen Worten der Wertschätzung dieses Pioniers der Wirkerei nicht zu viel gesagt.
G. Willkomm wurde am 2.5.1839 in Chemnitz geboren. Dort besuchte er die "Höhere Gewerbeschule", später das "Polytechnikum" in Dresden. Wendigkeit, Begabung und Fleiß verschafften ihm neben vielen anderen Auszeichnungen auch ein Stipendium zu einer Studienreise nach fünf Nachbarstaaten Deutschlands, während der er sich wesentliche Erfahrungsgrundlagen für sein späteres Wirken verschaffte. In die Heimat zurückgekehrt, wurde er von Prof. Dr. Hülsse, dem damaligen Direktor des Polytechnikums in Dresden, beauftragt, in den Fabriken Sachsens statistisches Material zu sammeln. Diese Tätigkeit führte ihn zum ersten Male nach Limbach, wo er später über vierzig Jahre seines Lebens segensreich und unermüdlich schaffend verbringen sollte. Dieser Lebensstellung, die er 1868 antrat, gingen Arbeitsplätze in der Maschinenfabrik von Rich. Hartmann in Chemnitz, in Bautzen, Manchester, Sheffield und in Harzdorf bei Reichenberg in Böhmen voraus.
Die Industriellen Limbachs beschlossen 1867 die Begründung einer Schule für Wirker zur Heranbildung besonders leistungsfähiger, fachlich einwandfrei vorgebildeter Arbeitskräfte, die den von Jahr zu Jahr sich steigernden Anforderungen im Wirkereifach gewachsen wären. Auf der Suche nach einem geeigneten Leiter der neuen Schule erinnerte man sich des jungen Ingenieurs, der anläßlich seiner Studienreise in Limbach den günstigsten Eindruck hinterlassen hatte. Willkomm wurde zur Einrichtung und zum späteren Direktor der am 6.4.1869 mit 23 Schülern eröffneten "Strumpfwirkerschule" bestellt, die später den Namen "Fachschule für Wirkerei" und "Wirkschule" erhielt. Willkomm blieb Leiter der Bildungsstätte bis zu seinem Tode.
Die Wirkschule, die erste ihrer Art in der Welt überhaupt, ist sein Lebenswerk. Ihr Werden, Gedeihen und Bekanntwerden in allen Erdteilen ist Willkomms Verdienst.
Für seine Unterrichtspraxis fehlte ihm fast jegliche wissenschaftliche Literatur. Deshalb erarbeitete er sich ein vollkommen neues System, schuf einen bisher noch nicht vorhandenen Zweig der Textiltechnologie: die Technologie der Wirkerei.
Seine reichen Erfahrungen und Unterrichtsergebnisse - nach dem damals neuesten Stand der Technik im Wirkereifach - veröffentlichte er 1875 in seinem Lehrbuch "Technologie der Wirkerei", dessen zweiter Teil 1878 im Druck erschien. Das Werk wurde auch in die englische Sprache übersetzt und erlebte kurz vor Willkomms Tod seine dritte Auflage, für ein Fachbuch mit verhältnismäßig kleinem Leserkreis ein bemerkenswerter Erfolg. Auch ins Französische wurde seine "Technologie" übertragen. Viele Aufsätze in Fachzeitungen zeugen vom umfangreichen Wissen des Wirkereispezialisten, der nicht nur der heimischen Industrie, sondern auch ausländischen Betrieben gesuchter und hochgeschätzter Berater war. Mehrere Jahre war Willkomm als Mitarbeiter am Patentamt in Berlin tätig. 1876 wurde er außerordentliches und 1894 ordentliches Mitglied der "Kgl. Technischen Deputation", dem damals maßgebenden Landesausschuß technischer Sachverständiger.
Trotz dieser vielseitigen Tätigkeit blieb ihm noch Zeit, dem damaligen Marktflecken, später der Stadt Limbach, als Gemeinderatsmitglied bzw. im Stadtrat mit seinem Wissen und seiner umfangreichen Lebenserfahrung zwei Jahrzehnte lang zu dienen.
In Anerkennung seiner zahlreichen Verdienste wurde Gustav Willkomm 1884 der Titel eines Professors verliehen; zehn Jahre später wurde er mit einem hohen Orden ausgezeichnet.
Sein Name hat noch heute - nicht nur in Limbach! - einen guten Klang. Willkomm wird von vielen einstigen Schülern im In- und Ausland verehrt, die ihr fachliches Können in der "Wirkschule" begründeten. Ihm verdankt die Wirkerei- und Strickerei - Industrie Mittelsachsens zu einem Teil ihren heutigen, in der Welt anerkannten hohen Stand. Eine schlichte Gedenktafel am ehemaligen Schulhaus, am Heimatmuseum, weist auf die hohen Verdienste Professor Willkomms hin. In der Wirkereiabteilung des Museums in der Berufsschule, Hohensteiner Straße, wurde er besonders gewürdigt.
(Auf den Artikel "Professor Gustav Willkomm" von Rudolf Weber in der Julinummer von "Kultur und Heimat" Jahrgang 1957, sei bei dieser Gelegenheit hingewiesen.)


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