Limbach-Oberfrohna, die Wiege der mittelsächsischen Wirkereiindustrie
Quelle: Karl Fritzsching in "KULTUR UND HEIMAT" - MONATSBLÄTTER DES DEUTSCHEN KULTURBUNDES -
KREIS KARL-MARX-STADT / LAND, Ausgabe 1961 März und April
Die Geschichte Limbachs und Oberfrohnas ist in den ersten Jahrhunderten der
mittelalterlichen Rechts- und Wirtschaftsverhältnisse wegen eng an die des Rittergutes
geknüpft. Vom 18. Jahrhundert ab wies die Industrie ihr die Wege. Bis zu diesem
Zeitpunkte waren die Orte dieses Gebietes unbedeutende feudalbeherrschte Bauerndörfchen,
von den weltbewegenden Ereignissen fast unberührt. Sie gehörten mit zu dem großen
westsächsischen Webereibezirk.In ihn hinein schob sich, die Weberei hier vollständig
verdrängend, Anfang des 18. Jahrhunderts der heutige Wirkereibezirk. Der im Heimatmuseum
befindliche letzte Webstuhl klapperte bis 1861 in Niederfrohna. Dieser neuerstandene
Wirkereibezirk reicht heute von Burgstädt im Norden bis Stollberg, Zwönitz, Thum im Süden,
von Zschopau im Osten bis Hohenstein-Er. im Westen. Seine Keimzelle, sein Ausgangspunkt
ist Limbach.
Der Begründer der heimischen Wirkerei, Johann Esche, wurde 1682 in Köthensdorf,
welches zur Rittergutsherrschaft Limbach gehörte, geboren. Er kam als herrschaftlicher
Kutscher "an den Hof" des Antonius II. von Schönberg und lernte gelegentlich einer
Fahrt nach Dresden bei einem dort ansässigen französischen Emigranten den Wirkstuhl kennen,
wie ihn 1589 William Lee in England erfunden haben soll. Er war von dieser Maschine
so begeistert, daß er sofort nach seiner Rückkehr nach Limbach eine derartige Maschine
nachbaute. Das glückte ihm auch, und schon 1703 wird er im Kirchenbuch von Limbach bei
seiner Trauung als "Petschier und Formenstecher auch Strumpfwirker" bezeichnet. Mit kaum
vorstellbarer Energie scheint er sich auf die Entwicklung seiner Neukonstruktion gestürzt
zu haben, während die Bewohner Limbachs und Umgebung mit Freuden von der neuen
Verdienstmöglichkeit Gebrauch machten.
1760 arbeiteten in der hiesigen Kirchfahrt (Limbach, Oberfrohna und Rittergutsanteil Kändler)
"72 Strumpf-, Seiden-und Wollwirker". Sie schlossen sich 1785 innungsmäßig zusammen. Vier
Jahre vor ihrer Auflösung (1861) zählte die Innung noch 528 Meister und 250 Gesellen. Die
Rußdorfer Innung wurde bereits 1745 gegründet. Die Nachkommen Johann Esches ließen 1852/54
die ersten Fabrikgebäude am Orte erbauen, denen Jahr um Jahr weitere folgten.
Die bis dahin selbständigen Meister und Heimarbeiter wurden nun abhängige Lohn- und
Fabrikarbeiter. Zu den anfänglich verarbeiteten Rohprodukten Seide und Wolle kamen im Laufe
der Zeit Garne aus Baumwolle, Jute, Flor und Kunstseide, Zellwolle bis zur feinsten Perlonseide.
Unendlich ist die Zahl der hergestellten Waren. Besonders hervorzuheben wäre hier die
Fabrikation von Stoffhandschuhen , die den Namen Limbachs in alle Welt trug.
Gegenwärtig nimmt die Herstellung von Untertrikotagen, Herrenoberhemden, Damennachthemden,
Morgenröcken und Sportbekleidung aus Kunstfasern eine Vorrangstellung ein.
In Limbach-Oberfrohna entstanden als Folge der hochentwickelten Wirkwarenfabrikation seit
Mitte des vorigen Jahrhunderts umfangreiche und bedeutende Nebenindustrien, wie Bleichereien,
Färbereien, Appreturanstalten, Formereien und die zur Ausstattung und zum Versand notwendigen
Druckereien, ferner die Kartonagen- und Kistenfabrikation. Gleichzeitig entstand eine ebenso
umfangreiche Maschinenindustrie, die die örtlichen und auswärtigen Textilbetriebe mit dem
notwendigen Spul-, Schär-, Wirk-, Kettel-, Schneide-, Zwickel- und Nähmaschinen und anderem
Kleinbedarf beliefert. Die ersten Betriebe dieser Art wurden 1856-57 und 1863 gegründet.
Sie sind heute in dem VEB Textima zusammengeschlossen oder arbeiten als Privatbetriebe mit
an der Erfüllung unserer großen Wirtschaftspläne. Zu diesen Fabriken kommen noch eine Reihe
von Spezialbetrieben, die die erforderlichen Wirknadeln und Platinen herstellen. Auch sie
stehen auf dem Weltmarkt in bestem Ruf.
Für einen fachmännisch ausgebildeten Nachwuchs in der Wirkerei sorgte seit 1869 die "Fachschule
für Strumpfwirkerei", die erste ihresgleichen auf den Erdball! Prof. Willkomm, der
Begründer der Technologie für Wirkerei, war viele Jahre an dieser Schule tätig. Dieses Institut
wurde 1951 infolge der Ausdehnung des Industriezweiges und aus verkehrstechnischen Gründen
mit den "Vereinigten Textillehranstalten" in Karl-Marx-Stadt verschmolzen.
Mit dem zahlenmäßigen Anwachsen der Betriebe hielt auch die Bevölkerungsziffer wacker Schritt.
Limbach hatte 1794 1.200, im Jahre 1900 bereits über 12.000 und 1914 über 18.000 Einwohner.
Oberfrohna zählte 1820 nur 70 Häuser mit 400 Einwohnern, 1900 schon über 3.800 und 1914 über
5.000. Rußdorfs Bevölkerung stieg von 1.200 im Jahre 1866 auf 3.500 im Jahre 1914. Heute
beherbergt unsere Doppelstadt nahezu 28.000 Einwohner.
Die zunehmende Industriealisierung und die dichte Besiedlung trugen dazu bei, daß schon
frühzeitig eine Arbeiterbewegung entstand. So besuchte 1865 K.F. Weiß aus Kändler die
Generalversammlung des Lassalleanischen Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins in Frankfurt.
Trotz des Bismarckschen Sozialistengesetzes wurde am 2. März 1889 der Arbeiterwahlverein in
Limbach gegründet, in dem Gustav Semmler durch seine unerschrockene Haltung eine
wichtige Rolle spielte. 1887 sprach Wilhelm Liebknecht hier, 1875, 1895 und 1903
August Bebel (1903 vor 2.000 Besuchern!). Fritz Heckert weilte 1915 in Limbach,
und 1932 ermahnte Ernst Thälmann von den Mauern der Brauerei: "Wer Hitler wählt, wählt
den Krieg!" 1884 kam es bei Conradi & Friedemann zu einem großen Streik, der durch
Militär aus Chemnitz unterdrückt wurde. Auf den Kapp-Putsch (1920) antwortete die Limbacher
Arbeiterschaft mit dem Generalstreik und Bewaffnung der Arbeiter. In den Jahren 1933-1945
kämpften die Besten illegal weiter um die Befreiung der Arbeiterklasse , um nach dem
Zusammenbruch des Faschismus die führende Rolle zu übernehmen.
Limbach-Oberfrohna ist nicht nur Wiege, sondern auch Zentrum der mittelsächsischen Wirkerei.
"Sternwäsche", "Trineli" und "Rhombus" sind Begriffe,die unmittelbar mit der Stadt verbunden
sind, die über deren Mauern hinaus etwas bedeuten. Und in der VVB Trikotagen - Strümpfe laufen
alle technischen und ökonomischen Fäden dieses Industriezweiges zusammen. Dieser Vereinigung
volkseigener Betriebe ist ein wissenschaftlich-technisches Zentrum angegliedert, das sich
besonders mit den Problemen der Forschung und Entwicklung, der Standardisierung, dem
Erfindungswesen und einer zentralen Musterung beschäftigt. Die Impulse, die von hier ausgehen,
werden - soweit es diesen speziellen Industriezweig betrifft - überall aufgefangen und
umgesetzt.
Eng verbunden mit der Wirkereiindustrie sind die Textilveredlung und der Textilmaschinenbau.
Beide sind seit Esches Tagen in Limbach heimisch. Was die Textilausrüstung anbetrifft, so
müssen in den nächsten Jahren noch gewaltige Anstrengungen gemacht werden, um die anfallenden
Kapazitäten zu bewältigen, denn unsere Färbereien und Appreturanstalten sind gegenüber den
Stoffen herstellenden Betrieben technisch doch etwas zurückgeblieben und hinsichtlich eines
reibungslosen Produktionsablaufes noch nicht restlos durchorganisiert.Teilweise ist auch der
Maschinenpark veraltet und muß schnellstens erneuert werden.
Das rasche Anwachsen der Produktion von Trikotagen aller Art und die besonders wasserintensive
Ausrüstung von D E D E R O N stellen die Betriebe und auch die Stadt vor ein äußerst
schwieriges Problem: Woher nehmen wir in Zukunft das Wasser? Da Karl-Marx-Stadt trotz des
neuen Talsperrenprojektes uns künftig nicht das notwendige Wasser wird liefern können, müssen
wir zur Selbsthilfe schreiten. Unsere ganze Hoffnung liegt bezüglich des Wassers im
Folgenbachtal, das sich von Rußdorf entlang der Kreisgrenze nach Bräunsdorf hin ausdehnt.
Dort erwarten wir, nachdem die Aufbereitungsanlagen gebaut sein werden, stündlich 9 cbm
Wasser. Ungeachtet dessen bemühen sich einige Betriebe, mit eigenen Brunnenanlagen auszukommen,
was aber nie ganz der Fall sein wird. Der "Rote Färber", der durch den Zusammenschluß mit dem
Wassernetz Kändler und den Einzugsgebieten von Pleißa und Kändler ebenfalls mit im
Gesamtversorgungsgebiet liegt, ist dabei, im Pleißenbachgebiet größere Wassersammelbecken
anzulegen.
Im Textilmaschinenbau ist Limbach-Oberfrohna ebenfalls führend, und es könnte seine
Textilindustrie - abgesehen von den Rundwirk- und Strickmaschinen - so ziemlich selbst
versorgen. Es werden nicht nur Spul-, Schär-, und Kettenwirkmaschinen, sondern auch die
verschiedenartigsten Maschinentypen für die Konfektion von Trikotagen gebaut; auch werden
Platinen und Wirknadeln für Rund-, und Flachwirk- und Strickmaschinen hergestellt, von denen
ebenfalls ein erheblicher Teil in alle Welt exportiert wird. Nicht unerwähnt soll bleiben,
daß die erste "Maliwatt" - Maschine des Nationalpreisträgers Heinrich Mauersberger
auch in Limbach-Oberfrohna gebaut worden ist und damit die ganze Malimo - Technologie, wie
das auch der Name ausdrückt, in Limbach-Oberfrohna ihren Ausgangspunkt hat. Eine
beachtenswerte Parallele zur Entwicklung in den Zeiten Johann Esches.
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